Schlussansprache am Ende der Exerzitien in Auerbach,
26. August 1982
Meine Schlussansprache am Ende der hl. Exerzitien mšchte ich
in eine Frage fassen, die nicht von mir stammt, sondern von Unserer Lieben
Frau, der Ihre Kongregation geweiht ist: Die Gottesmutter fragte bei ihrer
ersten Erscheinung am 13. Mai 1917 die drei Hirtenkinder Lucia, Jacinta und
Francisco:
ãWollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu
bringen und jedes Leiden anzunehmen, das Er euch schicken wird, als SŸhne fŸr
die vielen SŸnden, durch die die gšttliche MajestŠt beleidigt wird, um die
Bekehrung der SŸnder zu erlangen und als SŸhne fŸr die FlŸche und alle Ÿbrigen
Beleidigungen, die dem Unbefleckten Herzen eurer Mutter zugefŸgt werden?Ò
ãWollt ihr euch Gott schenken...?Ò Die drei Hirtenkinder
haben damals in Fatima frisch, froh, fršhlich und freimŸtig mit Ja geantwortet.
Die zwei jŸngeren Kinder Jacinta und Francisco verwirklichten dieses Ja in
ihrem noch folgenden kurzen, leidvollen Leben und vor allem im frŸhen Sterben.
Die Šlteste der drei, Lucia, verwirklichte ihr Ja auf die Frage, ob sie sich
Gott schenken wolle, durch den Eintritt ins Kloster.
Nun stellt am Ende der Exerzitien die Gottesmutter an Sie,
liebe ehrwŸrdige Schwestern, (an Sie liebe Novizinnen, und an Sie, liebe
Kandidatinnen, die Ihr in wenigen Tagen eingekleidet werdet.) dieselbe Frage durch
den Exerzitienleiter. ÒWollt ihr euch Gott schenken...?Ò neu schenken oder
neuerdings schenken in der erneuerten Ganzhingabe an Jesus durch die HŠnde
Mariens?
Dieses Wort Mariens ãWollt ihr euch Gott schenken...?Ò ist
so vielsagend und so schšn, vielleicht Ÿberhaupt das schšnste, tiefste und
inhaltsreichste aller Worte, die Maria in Fatima gesprochen hat. Sie selbst hat
sich nŠmlich ganz Gott geschenkt, weil sie so gro§ vom geheimnisvollen Gott
dachte. Und sie wollte, dass es ihr mšglichst viele Menschen nachmachen. Und
ich meine immer: Es schenken sich heute wohl deshalb nur so wenige Menschen
Gott ganz in der jungfrŠulichen Ganzhingabe an Gott im Priester- und Ordensberuf,
weil sie meistens eine recht armselige, kleine Vorstellung von Gott haben.
Maria aber und eigentlich alle Heiligen mit ihr hatten eine ganz gro§e
Auffassung von Gott, diesem abgrundtiefen Geheimnis, in das weder der grš§te
Philosoph, noch der grš§te Theologe, noch der begnadetste Mystiker je ganz
einzudringen vermag. Niemand als nur der unbegreifliche Gott allein begreift
sich ganz in letzter Klarheit und umfasst sich ganz in der ganzen Unendlichkeit
seines Wesens...
Letztlich aber kommt es gar nicht einmal darauf an, Gott zu
begreifen, Ihn, den Unbegreiflichen, sondern darauf, Ihn in seiner
unbegreiflichen Grš§e anzuerkennen, Ihn nicht zu einer Randerscheinung unseres
Lebens, unseres Sinnens und Trachtens, unseres Betens und Opferns, unseres
Dienens und Liebens zu machen. Das allein ist entscheidend: sich in dieses
unbegreifliche, abgrundtiefe Geheimnis immer wieder und immer mehr zu versenken
und sich Gott zu schenken, vorbehaltlos und ganz, auch dort, wo uns Gott in
seinen Schickungen und FŸgungen so rŠtselhaft vorkommt und Er von uns Opfer
fordert und uns Leid und Kreuz zumutet...
ãWollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu
bringen und jedes Leiden anzunehmen...?Ò So sagte Maria in Fatima und es
klingt, als ob sie dabei auch noch hinzufŸgen wollte: ãIch habe es getan, ich
habe es gewagt, ich habe mich ganz Gott geschenkt, und ich habe es erlebt: Es
gibt fŸr den Menschen nichts Grš§eres, nichts Schšneres, nichts BeglŸckenderes
als dies, sich Gott ganz und vorbehaltlos zu schenken, weil Er sich zuerst
selber ganz uns Menschen geschenkt hat. Er ist ja die Liebe und der Liebe ist
es eigen, zu schenken und sich zu verschenken...Ò
ãWollt ihr euch Gott schenken...?Ò
Was soll ein Geschenk sein? Eine Gabe, die ausdrŸckt, dass
der andere, dem ich das Geschenk mache, mir ein Opfer wert ist! Ein greifbares
Zeichen der Liebe, gleichsam ein Teil meiner selbst. Wir aber haben vielfach
aus unserem Schenken, z.B. aus dem weihnachtlichen Schenken eine Tauschaktion
gemacht oder sehr selbstsŸchtige Motive damit verbunden: um
GeschŠftsbeziehungen aufrechtzuerhalten, um uns jemand warm zu halten, um
selber etwas wiederzubekommen. Der letzte und tiefste Sinn des
(weihnachtlichen) Schenkens und Beschenktwerdens ist dieser: Gott hat sich uns
im Geheimnis der Menschwerdung und Geburt Jesu Christi durch Maria geschenkt
und schenkt sich uns immer wieder im eucharistischen Geheimnis des verwandelten
Brotes und Weines. (Gott schenkte sich uns und schenkt sich uns als sichtbares
Zeichen der Liebe im Kind in der Krippe, im verwandelten Brot und Wein.) Gott
schenkt sich und dabei als sichtbares Zeichen dafŸr, dass Er, Gott, der
Dreifaltige, die Liebe ist, die sich ganz verschenkende Liebe, zuerst im
innergšttlichen Bereich, wo der Vater sich dem Sohn ganz und gar schenkt in der
personenhaften Liebe des Hl. Geistes; und dann im au§ergšttlichen Bereich in
der Begnadigung der Menschen und nach dem traurigen SŸndenfall in der
Heilsgeschichte, im Geheimnis der Menschwerdung und Erlšsung und in dessen
Fortsetzung im Geheimnis der hl. Eucharistie...
Es ist nur jammerschade, dass wir Menschen dieses gšttliche
Schenken noch viel zu wenig, jedenfalls viel zu wenig tief erfasst haben und
dass wir uns der notwendigen Folgerung daraus noch nie oder nur hšchst selten
richtig bewusst geworden sind: dass
w i r uns
nŠmlich ganz Gott schenken sollten, weil Gott sich uns geschenkt hat und immer
noch schenkt. Wenn wir das einmal richtig und tief erfasst hŠtten, dann wŸrde
uns der Durchsto§ zum Eigentlichen und Wesentlichen durch die Mauer der
Gedankenlosigkeit und OberflŠchlichkeit (und durch die Schandmauer des
kommerzialisierten Festes) hindurch gelingen, ...dann wŸrden wir auch das
Wesentliche unseres Christseins erfassen und auch die Botschaft Mariens in
Fatima verstehen: ãWollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu
bringen...?Ò
Maria aber ist das schšnste Symbol, die schšnste
Verkšrperung fŸr dieses richtig verstandene Schenken und Beschenktwerden. Sie
ist beschenkt worden von Gott in ihrer wunderbaren Anfangsbegnadigung in ihrer
Unbefleckten EmpfŠngnis. Sie hat sich dann zweifellos sofort, als sie zum
Gebrauch ihrer Vernunft und ihres freien Willens gelangt war, ganz Gott
geschenkt in jungfrŠulicher Ganzhingabe und in ihrer Bereitschaft, ganz Magd
des Herrn zu sein. Sie ist dann einzigartig von Gott beschenkt worden, als ihr
jungfrŠuliche Mutterschaft zuteilwurde und Gott Vater ihr seinen eingeborenen,
geliebten Sohn schenkte als ihren Sohn ÒEin Kind ist uns geboren, ein Sohn ist
uns geschenkt...Ò) Sie aber hat diesen ihren gšttlichen Sohn nicht fŸr sich
behalten und selbstsŸchtig fŸr sich reserviert, sondern weitergereicht und
weitergeschenkt, als sie ihn den Hirten, den Weisen aus dem Morgenland und dem
greisen Simeon darbot als das grš§te Geschenk des himmlischen Vaters an alle
Menschen, deren Vertreter die Hirten und die Weisen waren.